Reisebericht 2003
Reiseteilnehmer: Herr Peter Heilmann
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Herr Peter Heilmann hat mir über seine Eindrücke einen netten Reisebericht übermittelt. Herzlichen Dank dafür! Herr Heilmann ist 1984 an Multipler Sklerose erkrankt und sitzt seit 1992 im Rollstuhl.

Reisebericht von Herrn Peter Heilmann, erhalten am 19. Oktober 2004:

Ich war schon 1984 einmal mit meiner damaligen Freundin in Berlin. Damals stand die Mauer noch. Eine Pflegerin meines Pflegedienstes und ein Zivi meines Sozialdienstes waren in diesem Sommer bereits in Berlin und durch deren Erzählungen bin ich einfach auf den Gedanken gekommen mir die modernisierte Hauptstadt auch einmal anzusehen (es muss ja nicht immer ein Auslandsurlaub sein).

Im Internet suchte ich "Berlin + Hotel + Rollstuhl " bei "Google". Unter anderem erschien dort das Hotel "Mitmensch", das auch u.a. von Behinderten geführt wird und über sieben Rollstuhlzimmer und 15 Zimmer für Nichtbehinderte verfügt. Nachdem ich dann auch noch gelesen hatte, dass fast alle S-Bahnen, Busse und Straßenbahnen sowieso, und auch bedingt U-Bahnen für Rollstuhlfahrer zugänglich sind, buchte ich sofort ein Doppelzimmer mit Frühstück (Sonderpreis ab 15. September) mit unterfahrbarem Bett und einen Personenlifter. Duschstuhl ist auf dem Zimmer vorhanden, "Artosy"-Toilettenstuhl wurde mir beigestellt.

Das Musical "Cats" und eine Vorstellung von Bruno Jonas (Kabarettist) bei dem Kabarett "die Wühlmäuse" habe ich ebenfalls über das Internet gebucht. Ein ehemaliger Zivi der Sozialstation Limburgerhof (jetzt Medizinstudent in Homburg) erklärte sich bereit die Reise mit mir zu unternehmen. 

Ihr seht, ein bisschen Vorbereitung musste auch sein, aber das ist schon ein Teil von meinem Urlaub und macht mir fast so viel Spaß, wie der Urlaub an sich.

Ich habe mir sehr lange überlegt, ob ich mit der Bahn, oder mit meinem Auto nach Berlin fahren soll und habe mich letztlich doch für das Auto entschieden, was in nachhinein betrachtet auch besser war, doch dazu später.... 

Montags, 15. September, ging es dann los. Mein Pflegedienst kam bereits um 6:30 Uhr, so dass ich ab 10 Uhr in den Startblöcken stand. Um 11Uhr war dann alles gepackt und wir brauchten tatsächlich bis 19.30 Uhr abends um die 700 Kilometer von Ludwigshafen über Heilbronn und Gera bis vors Hotel zu fahren (armes Hinterteil bei den ostdeutschen, teilweise noch Betonplattenautobahnen). 

Das Hotelzimmer, über einen Fahrstuhl (halbes Stockwerk) erreichbar, war großzügig bemessen, die Dusche geräumig und mit Duschplatz ausgerüstet.
Abends riefen Studienkolleginnen meines Reisebegleiters an, ob sie noch vorbeisehen könnten und so saßen wir am 1. Abend bis 1.30 Uhr vor dem Hotel im Freien und unterhielten uns. 

Ausschlafen? Weit gefehlt. Um 7 Uhr klingelte der Wecker, wir wollten ja etwas von Berlin sehen. Kosta (Reisebegleiter) und ich waren dann tatsächlich um 10 Uhr beim Frühstück. 15 Minuten vom Hotel war die Haltestelle der S-Bahn und mit ihr fuhren wir bis einschließlich Samstag ausschließlich. Wir hatten nämlich ein Ticket vom 16. bis 22. September gekauft (vielleicht wäre es mit Wertmarke für einen aG Behinderten ganz umsonst gewesen, aber Kfz-Steuerbefreiung + Wertmarke bin ich nicht sicher, ob das möglich ist). 

Peter Heilmann in BerlinAußer dem Wannsee und Mümmelsee und einer Spree Rundfahrt haben wir glaube ich in Berlin fast alles in den nächsten Tagen abgeklappert und sind selten vor 24 Uhr ins Bett gekommen. 

Außergewöhnliches ist natürlich auch passiert:
Mittwochs nach der "Bruno Jonas" Vorstellung wollten wir mit der S-Bahn ins Hotel fahren. Dummerweise war die S-Bahn aber ab 22 Uhr wegen Reparaturen an der Strecke stillgelegt und wir mussten auf die U-Bahnen umsteigen. Wir stiegen an einer Haltestelle aus ohne uns vorher auf dem Streckenplan zu versichern, dass es da auch einen Aufzug gäbe. Unvorsichtigerweise ließ ich mich dann auch noch in einem Anfall geistiger Umnachtung mit Hilfe eines freundlichen Zeitgenossen eine Rolltreppe hoch befördern. Nachdem wir dann um ein paar Ecken herum weiter geschoben waren, standen wir dann um ca. 23.0 Uhr vor einer Treppe mit ca. 30 Stufen.....?!?!

Glücklicherweise kamen zehn Minuten später zwei Jugendliche und fragten ob und wie sie helfen könnten und trugen mich dann, mit Kosta zusammen, die Treppe hoch. Toll, was?

Einen Tag später waren wir wieder auf Tour und hatten natürlich wiederum das Pech, dass die S-Bahn ab 22 Uhr den Betrieb eingestellt hatte. Von der Aufsicht wurden wir dann zuerst etwas genervt belehrt, dass man sich doch in der Zeitung informieren sollte, schließlich wäre überall zu lesen, dass genau diese S-Bahnstrecke unter der Woche repariert werden würde und deshalb ab 22 Uhr bis auf weiteres, außer am Wochenende, den Betrieb einstellen werde. Touristen wa? 

Wir fragten ob es eine S-Bahn in die andere Richtung gäbe, die an einem Bahnhof anhielte, von dem man mit dem Bus weiterfahren könnte? Sie telefonierte mit ihrer Dienststelle ein paar Minuten später wurde uns dann tatsächlich ein kleiner Bus mit Rampe geschickt, der uns kostenlos bis zum Hotel fuhr!!!

Peter Heilmann in BerlinSamstags waren wir zuerst im Nationalmuseum bei der Ausstellung " Kunst in der DDR " und dann im Musical Cats (in Berlin jetzt mit deutschen Texten) am Potsdamer Platz, den wir uns ein paar Tage vor der Aufführung schon zusammen mit einer weiteren Freundin von Kosta angesehen hatten. Hier war ja früher mal die Mauer und was da alles hingebaut wurde erklärt die hohe Verschuldung der Stadt sehr eindrücklich. Dort wurde jedoch noch an Aufzügen gespart und die Rolltreppen gingen nur in einer Richtung nach oben.

Sonntags nahmen wir uns nur vor Sanssouci anzusehen. Wir fuhren mit meinem Auto, zusammen mit einer weiteren Freundin von Kosta, da die Berliner Verkehrsbetriebe in drei Zonen unterteilt ist was den  S-Bahn-Verkehr betrifft und Potsdam in Kategorien C gehört, die mit unseren Tickets nicht abgedeckt war. 

Außerdem waren die jeweiligen U-Bahnen nicht unbedingt als behindertengeeignet ausgewiesen (behindertengeeignet ist mit Rampe, behindertengerecht ist mit Aufzug). Abends gönnten wir uns dann noch ein Abschlussessen bei einem Griechen in der Nähe des Hotels.

Die Heimfahrt war mit zehn Stunden inklusive Stau bei Frankfurt sehr zermürbend und wir trafen um 21Uhr total müde aber glücklich wieder in Ludwigshafen ein. 

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