Reisebericht New York 2002
Reiseteilnehmer: Herr Peter Heilmann
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Herr Peter Heilmann hat mir über seine Eindrücke einen eindrucksvollen Reisebericht übermittelt. Herzlichen Dank dafür! Herr Heilmann ist 1984 an Multipler Sklerose erkrankt und sitzt seit 1992 im Rollstuhl.

Reisebericht von Herrn Peter Heilmann, erhalten am 19. Oktober 2004:

Im Jahr 2000 erzählte mir mein Krankengymnast, dass er im letzten Jahr mit seiner Freundin in New York war. Er schwärmte davon, wie bombastisch diese Stadt auf ihn gewirkt habe. Er hätte auch viele Rollstuhlfahrer gesehen und meinte, es müsse doch auch eine Möglichkeit geben, dass ich da hingehe. Dieser Gedanke ließ mich nicht los. Ich plante das ganze Jahr über mittels Internet und einem Reisebüro vor Ort einen zehntägigen Urlaub (zwei Wochenenden Central Park, natürlich inklusive) und buchte von 14.09. bis 24.09.2001 ! ! !

Ground ZeroWas am 11. September 2001Unfassbares geschah brauche ich nicht zu wiederholen. Ich bin kein Katastrophentourist und habe die Reise sofort storniert.

Da ich aber ein unverbesserlicher Sturkopf bin, griff ich meinen Gedanken im Januar des darauf folgenden Jahres wieder auf und buchte 2002 von 20. September bis 30. September.

In diesem Jahr bin ich mit Singapore Airlines geflogen, preisgünstig und sehr zu empfehlen!!! Champagner ist umsonst, die Stewardessen sehen exotisch aus und sind sehr nett zu Rollstuhlfahrern. 

Auf dem JFK Airport wurden wir von einer netten Dame zu einem, bereits im Internet bestellten, Transportservice begleitet. Erste unangenehme Überraschung: ein 9-Sitzer ohne Hebebühne in den ich gehoben werden musste.

Der Fahrer war ein kräftiger Jamaikaner, der sagte: "Ich will lieber auf dem Gas stehen, als auf der Bremse." Was er sagte, das tat er dann auch. Achterbahn ist gar nichts gegen diese Fahrt ins Hotel, aber die Silhouette dieser Stadt in der  gleißenden Mittagssonne entschädigte für alles. Nach dem wir die mitfahrenden Passagiere in ihren Hotels abgeladen hatten, wurden wir selbst zu unserer Unterkunft gebracht. Unser Fahrer stellte sein Auto auf dem Bürgersteig vor dem Hotel ab und half Ralf mich wieder aus dem Fahrzeug herauszuhieven. 

New York liveMan stelle sich nun einen Ameisenhaufen vor, in dem es laufend hupt, Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr um die Wette fahren und alle Ameisen mit Handy in der einen Hand und Mittagessen (Fastfood) in der anderen Hand hektisch durcheinander rennen. 

Das ist New York live.

Man steht den ganzen Tag unter Strom, nachts brüllt die Klimaanlage auf dem Zimmer und man hört aus dem zehnten Stock den Verkehr von der Straße. 

Am ersten Tag haben wir uns dann über die Hilfsmittelversorgung im behindertengerechten Zimmer geärgert. Meine Pflegebegleitung Ralf hatte einmal wieder  einen anstrengenden Job bei der Urlaubsbegleitung (?). Der beigestellte Lifter war sinnigerweise ohne Transportnetz, der Toilettenstuhl war ohne Rückenlehne (optimal wenn man keine Rumpfstabilität hat). Glücklicherweise wurden mir diese Hilfsmittel nicht berechnet.

Konsequenz daraus war jedenfalls, dass Ralf mich morgens und abends aus, bzw. ins Bett hieven musste, mich ein über den anderen Tag auf diesen Toilettenstuhl hob und ich vor meinem Bett, aufgelehnt auf drei Kissen meine Geschäfte erledigte. Das behindertengerechte Zimmer war für gehfähige Behinderte und trotzdem bereue ich nicht, diesen Urlaub angetreten zu haben. 

Brooklyn-BridgeIch muss aber leider sagen, in diesem speziellen Bereich in Manhattan,  nach den Eindrücken, die ich subjektiv nun habe, gab es keine bezahlbare Esskultur !!! Ein Steakhaus, das ich als Empfehlung in der Zeitschrift Fokus gelesen habe, war leider auch nur über ca. 20 Stufen zu erreichen und laut Speiseplan an der Tür leider auch sehr teuer. So haben wir uns morgens mit englischem Frühstück (bacon,egg und toast) und abends mit Hähnchensandwich (diese Lokalität wurde vom Gesundheitsminister aber geschlossen) oder Essen aus dem Supermarkt um die Ecke (auch warm) ernährt. Ich weiß nicht, ob man aber eventuell in Greewich-Village, Little Italy oder China-Town bezahlbarere Restaurants finden könnte.

Am Wochenende war dann der Central Park und die nähere Umgebung angesagt. Der Central Park war für uns immer wieder ein Ruhepol. Central ParkAn den beiden Wochenenden gab es richtige Volksfeststimmung: Inlineskater, Jogger, Dogwalker (Leute die mit mehreren Hunden an der Leine durch die Gegend laufen) Countrysänger, Gitarrenspieler, Jazzmusiker vertrieben allen New York`ern den Frust und Stress der vergangenen Woche, und die Touristen kamen so auch auf ihre Kosten. 

Am zweiten Wochenende, Samstags, fand außerdem die so genannte Steubenparade statt. Dies ist die Parade der deutschen Einwanderer (jeder Volksstamm hat mindestens ein Wochenende zur Verfügung) und wir sahen und hörten jede Menge Musik- und Marsch-Kapellen und Paraden von Polizisten und Feuerwehrmännern, ein deutsches Gogomobil, und ein alter VW-Käfer fuhren auch mit.

SkylineMontags ging es dann mit dem Schiff rund um New York . Die Skyline von New York ist, vom Schiff aus betrachtet, einfach phänomenal. In den Morgenstunden war der Himmel noch sehr bewölkt und wir umfuhren leider nur eine düster wirkende Freiheitsstatue, bei der wir auch keinen Zwischenstopp eingelegt haben, da dieses Wahrzeichen nur über Treppen zu erklimmen ist. 

Die Wallstreet erscheint vom Schiff aus wie ein Canyon, eine schmale "Gasse" zwischen hoch aufragenden Wolkenkratzern. Erst nach dem wir den East-River und das UNO-Gebäude passiert hatten klärte der Himmel auf und wir fuhren die Hudsonbay in Richtung Freiheitsstatue hinab, an der mahnenden Lücke von "Ground Zero" vorbei.

Blick vom Empire State BuildingUnter der Woche ging es dann Richtung höchstes Gebäude New Yorks. Jetzt leider richtig: das Empire State Building. Der Blick vom Empire State Building bei strahlendem Sonnenschein wird mir unvergesslich bleiben und hat mich ein bisschen darüber weg getröstet, dass das World Trade Center nicht mehr steht. Der leere Fleck (Ground Zero, 16 Fußballfelder groß) verursacht auch von oben einen sehr bedrückenden Eindruck. Aber die Stadt pulsiert weiter in der flimmernden Sonne und sieht von hier oben aus wie ein Baukasten.

Auch das Guggenheim Museum beeindruckte mich sehr, obwohl ich eigentlich ein kleiner Kunstbanause bin, der sich Museen zuhause lieber von außen ansieht. Es empfiehlt sich, das Guggenheim-Museum von oben nach unten durchzuforschen, das Gebäude ist wie eine Spirale gebaut. Es gab Video- und Fotofantasien und Bilder von Monet, Picasso und Kandinsky (für Kunstkenner sicherlich ein Genuss). 

Metropolitan MuseumDas Metropolitan-Museum fiel leider buchstäblich ins Wasser, da der Hurrikan Isidor das ganze Wasser, dass er über  dem Atlantik in die Atmosphäre aufgesogen hatte, als Regenausläufer nach New York schickte. Das Museum of Modern Art war leider in den Stadtteil Queens umgezogen, und als wir diese Nachricht am ursprünglichen Eingang sahen, war es schon 14 Uhr mittags und mein Begleiter war zu erschöpft um noch viel weiter zu gehen. Außerdem hatten wir keine Straßenkarten von Queens. 

Leider habe ich kein Musical gesehen, obwohl viele concert halls spezielle Rollstuhlplätze besitzen, wie dem access-for-all-Verzeichniss von Hospital Audience/New York zu entnehmen ist. 

Auch alle Randsteine sind abgesenkt. Mit dem schnellsten Verkehrsmittel, der U-Bahn, kann man als Rollstuhlfahrer leider nicht fahren, da alle U-Bahn Stationen nur über Treppen, ohne Aufzüge erreichbar sind. Gut war aber, dass alle Busse mit einem Behindertenlift ausgerüstet waren und die Fahrt für den Rollstuhlfahrer nichts gekostet hat, die Begleitperson musste nur einen Dollar pro Fahrt bezahlen 

Ellis IslandRalf hat mit seinem digitalen Fotoapparat ca. 200 Bilder aufgenommen, die er mir auf CD gebrannt hat, außerdem hatte er mir mit meiner Videokamera ungefähr 35 Minuten Film aufgenommen, über den ich mich besonders freue, denn ich konnte ja nicht alles sehen (Sitzposition und Schwierigkeiten mit den Augen) und die Kamera ist mein elektronischer Spion.

Am letzten Tag wurde es auch noch einmal sehr hektisch. Ich hatte mir auch den Rücktransport vom Hotel zum Flughafen über das Internet bestellt. Kurz vor dem Abflug bekam ich eine E-Mail, dass ich am 30.9.2002 um ca. 15.45 Uhr schon abgeholt werden sollte, obwohl mein Flug erst um 21:45 Uhr gehen sollte.

Dies hatte ich dem Transportunternehmen geschrieben und bat um spätere Abholung, bekam aber bis vor meinem Abflug am 20.9.2002 keine Antwort. 
Folge war, dass ich am 30.9. um 15.45 Uhr vor dem Hotel vergeblich auf den Transport wartete. 

Erst als ich angerufen hatte, wurde mir gesagt, dass der Transport auf 18.45 Uhr abgeändert worden sei, man aber dann keine Verantwortung für eventuelle Verspätungen am Flughafen übernehmen wolle. Ich bin dann kurzerhand mit einem Taxi, in das ich natürlich dann auch hinein gehoben werden musste, rechtzeitig zum Flughafen gefahren. Der Taxifahrer kassierte bar, das telefonisch bestellte Transportunternehmen kassierte den Kaufpreis mit Einzug von der Kreditkarte nochmals

In Frankfurt wurden wir dann von einem Fahrdienst mit meinem behindertengerechten Auto (Fiat Umbau) abgeholt und kamen "erschossen", aber unheimlich glücklich, wieder in Ludwigshafen an.

Ich will hier ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese Reise garantiert in die Hose gegangen wäre, wenn mein Pfleger Ralf Beierlein mich nicht so umfangreich unterstützt hätte.

Nach den zehn Tagen bräuchte ich eigentlich Urlaub, aber als EU-Rentner ist das wohl nicht möglich, denn ein Rentner kann keinen Urlaub mehr einreichen. 

Peter Heilmann

Rückfragen zum Reisebericht sind jederzeit unter möglich. 

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