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Reiseteilnehmer: Herr Peter Heilmann
Herr Peter Heilmann hat mir über seine Eindrücke einen eindrucksvollen Reisebericht übermittelt. Herzlichen Dank dafür! Herr Heilmann ist 1984 an Multipler Sklerose erkrankt und sitzt seit 1992 im Rollstuhl.
Reisebericht von Herrn Peter Heilmann, erhalten im November 2006:
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In diesem Jahr wollte ich einen Urlaub in und mit meinem Fahrzeug machen.
Im Internet hatte ich Glück bei der Beschaffung eines Navigationssystems, mein Pflegedienst ermöglichte mir eine Reisebegleitung und auf der Homepage von Herrn Dütsch (rollstuhl-urlaub.de) waren ein Hotel in Wien und eine Ferienwohnung in Dresden verzeichnet, die ich dann sofort kontaktierte,
www.accomodationczech.com Frau Radkova bemühte sich ein Hotel in Prag zu finden, welches die Betten 15cm nach oben versetzte, damit ich mit dem Personenlifter zu Bett gebracht werden konnte (auch das Hotel in Wien wurde entsprechend von mir instruiert und man war dankbar für diesen Tipp). Frau Radkova handelte mit dem Hotelmanager auch noch einen guten Preis für uns aus, es ist jedenfalls zu empfehlen so wie bei Urlauben in Amerika mittels Kreditkarte zahlen zu können, da man dann den Preis nicht komplett im Voraus bezahlen muss.
Mit großem Glück fand ich nach halbjähriger Suche ein Fahrzeug zu einem für mich akzeptablen Preis, bei dem ich als Rollstuhlfahrer neben dem Fahrer sitzen konnte und der Verkäufer bemühte sich redlich, nach zwei leider kurz vor der Nase weggeschnappten Möglichkeiten, mir ein tolles Auto zu vermitteln. Der Erfolg war wie ein Lotteriegewinn und nun konnte ich mich an die Planung eines Urlaubs in Westeuropa machen.
So fuhren wir dann am 15. September zuerst nach Wien (weiteste Entfernung von meiner Heimatstadt Ludwigshafen aus). Die 800 km schafften wir ohne Stau in sieben Stunden. Mit dem Auto fuhren wir bis vor den Hoteleingang. Dieser wäre aber nur über eine steile Rampe über vier Stufen mit einem leeren Rollstuhl befahrbar gewesen und so brachte mein Begleiter mit Hilfe des Hotelpersonals Koffer und mitgeführte Hilfsmittel in das Zimmer im Erdgeschoss.
Nachdem das Gepäck verstaut war, wurde ich über den Lieferanteneingang dann aber auch zum Aufzug und ins Zimmer gebracht. Der Lieferanteneingang wurde an den folgenden Tagen auch durch den Nachtportier nach jeweiligen Klingeln geöffnet, wenn wir auf Endeckungstour waren.
Unser Zimmer hatte einen direkten Ausgang zur Terrasse an der Straße, der Hotelzimmereingang ist gegenüber des Aufzugs, den man benutzen musste um in das Restaurant im dritten Obergeschoss zu kommen. Natürlich sind noch weitere ebenso speziell für Rollstuhlfahrer geeignete Zimmer in den anderen Stockwerken vorhanden.
Das Hotel ist sehr zentral gelegen mit schnellen Anschlussmöglichkeiten an die S-Bahn und die Zimmer sind absolut rollstuhlgerecht und -geeignet, die Dusche sehr groß mit Duschplatz. Eines der beiden Betten war, wie angefragt ca. 15cm höher gestellt worden, damit die ich mit dem Personenlifter ohne Schwierigkeit zu Bett gebracht werden konnte.
Am ersten Morgen, Samstag, starteten wir vom Ortsteil Strudelhof unseren ersten Ausflug über den Wochenmarkt, „Naschmarkt" genannt, einer Mischung aus Wochenmarkt und Flohmarkt. In den nächsten fünf Tagen machten wir uns ausschließlich per S-Bahn auf die Reifen und Schuhe um Wien zu entdecken.
Die Stadt, geprägt von stattlichen Bauten, Geschichte, Musik, Gemütlichkeit und Sauberkeit übermittelt ein tolles Lebensgefühl.
Abbildung: Parlament - (mit Klick vergrößern)
Eigentlich von mir ungewollt, aber begünstigt durch einen Superpreis für Rollstuhlfahrer und Begleitperson (3,50 € pro Person!!!), überredete mich mein Begleiter doch tatsächlich zu einem Opernbesuch (la Boheme von Puccini) und ich muss auch als Opernlaie zugeben, dass diese Darbietung und das Ambiente in diesem Gebäude sehr sehens- und erlebenswert ist und in dieser Stadt einfach ein Muss ist (kurze Hosen wurden genauso wie Achselshirt verständlicherweise nicht genehmigt, wir hatten jedoch vorgesorgt und zogen uns kurzerhand auf der Toilette um).
Abbildung: Staatsoper - (mit Klick vergrößern)
Nachdenklich besuchten wir auch den Zentralfriedhof und bemerkten dort die Unterschiede zwischen normalen und prominenten Ruhestätten.
Abbildung: Zentralfriedhof - (mit Klick vergrößern)
Natürlich besuchten wir den Prater größtes stationäres Angebot für Fahrgeschäfte und Messebetriebe in Wien). Die Fahrt im Riesenrad war auch für Rollstuhlfahrer möglich und kostete nichts.
Mein begleitender Pfleger ließ es sich nicht nehmen auch noch diverse Fahrgeschäfte aufzusuchen.
Das Schloss Schönbrunn und seine Gartenanlage nahm auch fast einen ganzen Tag in Anspruch, nur unterbrochen von einem Regenschauer. Ein Abend musste natürlich auch in Grinzing zum probieren eines Heurigen herhalten. Dann machten wir uns ein bisschen wehmütig nach leider nur (?!?) fünf Übernachtungen auf den Weg nach Prag.
Das von Frau Radkova empfohlene Hotel ( s.o.) war in der Nähe des Zentrums. Der ebenerdige Haupteingang wurde von mir nur am ersten Tag benutzt (Erklärung folgt).
Die Stationen der U-Bahn sollten eigentlich durch Aufzüge an manchen Haltestellen auch für Rollstuhlfahrer anfahrbar sein. Die U-Bahnstation war zwar nicht weit von dem Hotel entfernt, das Kopfsteinpflaster bis zur Station sollte mir die Vorstellung einer autofreien Zeit in Prag aber aus dem Kopf schlagen, denn ein technischer Defekt am Aufzug erstickte die Möglichkeit mit der U-Bahn die Stadt zu erkunden schon am ersten Tag im Keim.
Der Stationswärter sprach nur tschechisch, so konnten wir leider nicht erfahren, ob dieser Defekt schon am nächsten Tag behoben sein würde. Die nächsten Tage betraten wir das Hotel also dann immer über die Tiefgarage. Die Reisebegleitung wechselte in Prag am zweiten Tag des Aufenthaltes.
Abbildung: auf dem Weg zum Wenzelsplatz... -
Weitere Tage mussten wir dann also entweder mit dem Fahrzeug (Parkhäuser) oder zu Fuß (Rollstuhl) nutzen um diese, ebenfalls sehr beeindruckende Stadt, auf dem Weg zum Wenzelplatz zu erkunden.
Tatsächlich ging ich auch hier mit Begleitung erneut in die Oper (Gefangenenchor von Nabuco von Verdi), diese Aufführung gefiel mir und auch dem Begleiter (beide Opernlaien) nicht so gut wie mir ,,la Boheme“ in Wien gefallen hat und zeigte mir, dass Opern anscheinend doch nicht mein Lebensinhalt sein sollten, zumal sie dort in Prag auch noch nicht günstig genug für meine Interessenarmut waren.
Wenzelsplatz (siehe Bild 1739) und Weg zur Karlsbrücke (siehe Bild 1780) bis zum Abend und die faszinierende Kulisse der Karlsbrücke nach dem Sonnenuntergang, die Stadtburg (Hradschin) der große Stadtpark und die astronomische Uhr (siehe Bild 1764) mit faszinierenden stündlichem Glockenspiel sowie eine Aufführung im „Black light theatre (Schwarzlichttheater)“ standen auf dem Besuchsprogramm für die nächsten Tage.
Leider konnten wir auch hier, so wie in Wien, nicht mit dem Schiff fahren und so machten wir uns den Weg zur letzten Station meiner diesjährigen Reise nach Dresden.
Abbildung: Karlsbrücke und Wenzelsplatz... - (mit Klick vergrößern)
Das Rollstuhlcenter von Herrn Uwe Beck wurde von uns gleich gefunden, die angebotene 1-Zimmerwohnung war sehr großzügig eingerichtet, das Bad sehr groß, der Bäcker und ein Lebensmittelladen in der Nähe, die Küche gut eingerichtet, der Preis sehr günstig. Die belebte Hauptstraße, das Kopfsteinpflaster und der fast 24 Stunden Straßenbahn mit andauernden Straßenverkehr kann aber leider nur bedingt für Gäste mit schwachen Nerven empfohlen werden. Personenlifter und Toilettenstuhl hätte ich auch in dem Rollstuhlcenter leihen können.
Eine Bekannte aus dem Urlaub in Norwegen (2005), die hier wohnte, gab uns ein paar Tipps für die nächsten Tage und so bewunderten wir viele historische Gebäude (teils wieder aufgebaut, teils noch Ruinen), aber auch die vielen Baustellen, die Wunderbares erahnen lassen (Bilder des ursprünglichen Zustandes zeigen großartige, aber bestimmt auch kostenintensive Vorhaben).
In der so genannten Neustadt von Dresden steht heute der goldene Reiter, ein Wahrzeichen Dresdens, August der Starke wurde mit dieser Ruhmesstatue, die schon zu Lebenszeiten des Königs begonnen und drei Jahren nach seinem Tod (1733) aufgestellt wurde, verewigt. In der Altstadt von Dresden befindet sich eine Kachelwand im Stallhof, auf der die Familie von August dem Starken als Reitertross dargestellt ist.
Abbildung: August der Starke - (mit Klick vergrößern)
Neben der Handwerkskunst der Porzellanmanufaktur in Meißen bestaunten wir dann auch noch die Bastei (Hotel mit Aussichtspunkt) über der Elbe in der sächsischen Schweiz, dem Mekka für „freeclimber (neudeutsch = Freikletterer)“ und das Schloss Königstein, 240 m über der Elbe (mit Aufzug (41 m), im Rollstuhl erreichbar).
Schloss Moritzburg ist leider nur bis 18:00 Uhr für Besucher geöffnet und so standen wir leider vor verschlossenen Türen. Ein Besuch in einem stadtbekannten politischen Kabarett, Breschter + Schuch, lockerte die Stimmung.
Blick von der Bastei und Schloss Moritzburg
Die Frauenkirche in Dresden, durch Spenden wieder aufgebaut und Anfang 2006 fertig gestellt, die Semperoper, Hofkirche und Zwinger gehören in jedes Touristenprogramm und bestätigen beim Blick von der Brühlschen Terrasse den Ruf der Stadt als "Elbflorenz".
Die Frauenkirche kann man als Rollstuhlfahrer mithilfe eines eigens dafür vorgesehenen Aufzugs besuchen, die Hofkirche ist scheinbar mit Hilfe eines Schlüssels oder einer Magnetkarte, die man beim Amt für soziale Angelegenheiten bekommen könne, aufzusuchen. Ein weiterer Grund noch einmal in diese Stadt zu kommen.
Frauenkirche und Blick von der Brühlschen Terrasse
Die 530 km von Dresden nach Ludwigshafen schafften wir am Samstag so schnell, dass mein Begleiter noch rechtzeitig zur Bundesligazusammenfassung wieder Zuhause war.
Die Bildausbeute war in Prag und Dresden leider, bedingt durch einen technischen Defekt, sehr gering und somit habe ich einen weiteren Grund speziell diese beiden letzten Stationen erneut anzufahren.
Peter Heilmann, 2006